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Basel Mobility Center

06. August 2024 · · PD Dr. sc. med. Roland Rössler, Leiter des Basel Mobility Centers

Einblick in das Basel Mobility Center – Vorreiter in der Mobilitätsdiagnostik

Ein Gespräch mit PD Dr. sc. med. Roland Rössler, Leiter des Basel Mobility Centers

Das Basel Mobility Center (BMC) ist ein diagnostisches Zentrum, in dem ambulante sowie stationäre Patientinnen und Patienten untersucht werden. Das BMC ist spezialisiert auf die Abklärung und Früherkennung von Gang-, Gleichgewichts- und Mobilitätsschwierigkeiten. Der Fokus liegt dabei auf der Alltagsfunktionalität der Patientinnen und Patienten. Durch spezifische Assessments, einschliesslich der quantitativen Ganganalyse, identifiziert das BMC Gangstörungen, Sturzrisiken und kognitive Defizite, um auf dieser Basis massgeschneiderte Therapie-Empfehlungen zu entwickeln. Neben dem klinischen Auftrag ist das BMC sehr aktiv in der universitären Lehre und Forschung und ist in zahlreiche wissenschaftliche Studien involviert.

Im Gespräch gibt uns PD Dr. sc. Med. Roland Rössler, Leiter des Basel Mobility Centers, Einblick in die Arbeit und die Forschungsinitiativen des BMC.

Was genau kann im Ganglabor im BMC gemessen werden?

Im Ganglabor des Basel Mobility Centers können wir eine Vielzahl von Parametern des Gangs, des Gleichgewichts und der Mobilität präzise erfassen und analysieren. Wir verwenden dazu spezialisierte Systeme wie den GAITRite-Gangteppich, um wichtige Daten wie Geschwindigkeit, Spurbreite, Schrittlänge und Regelmässigkeit des Gangs zu messen. Darüber hinaus führen wir sowohl statische als auch dynamische Gleichgewichtstests durch und nutzen dabei drahtlose Sensoren wie das moderne MobilityLab-System. Unsere Untersuchungen umfassen auch kognitive Assessments und neurologische Tests, um ein umfassendes Bild der körperlichen und kognitiven Gesundheit unserer Patientinnen und Patienten zu gewinnen.

Das BMC betreibt auch Forschung. Woran forscht das Team derzeit? Stichwort: Mobitec-Stroke-Studie.

Neben den Patienten, die wir im klinischen Alltag sehen, beschäftigen wir uns mit einer Reihe von wissenschaftlichen Studien. Die Auswertung der Mobitec-Stroke-Studie ist dabei momentan ein Schwerpunkt. Dieses Projekt, finanziert vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF), untersucht die Auswirkungen eines Schlaganfalls auf die Mobilität und das Gangbild der Betroffenen. Ziel der Studie ist es, die Mechanismen und Folgen von Schlaganfällen besser zu verstehen, um zukünftig effektive Rehabilitationsstrategien entwickeln zu können. Wir haben bereits mehrere wissenschaftliche Artikel basierend auf den Daten dieser Studie publiziert und arbeiten momentan an weiteren Manuskripten (siehe Publikationsliste unten).

Welche wesentlichen Erkenntnisse liefert die Mobitec-Stroke-Studie?

Ich möchte hier in aller Kürze ein paar wichtige Befunde zusammenfassen: Bei Patienten nach einem Schlaganfall hat sich ein positiver Zusammenhang zwischen der Leistung im Timed Up and Go (TUG)-Test und der Lebensraummobilität (d.h. Grösse des Lebensraums) gezeigt. Der TUG-Test ist ein klinischer Test zur Beurteilung der Mobilität und des Sturzrisikos bei älteren Erwachsenen. Hierbei wird die Zeit gemessen, die eine Person benötigt, um aus einem Stuhl aufzustehen, drei Meter zu gehen, sich umzudrehen, zurückzugehen und sich wieder hinzusetzen.

In weiteren Analysen haben wir einen Zusammenhang zwischen der Leistung im TUG-Test und der körperlichen Aktivität sowie der Lebensqualität entdeckt. Dies verdeutlicht eindrucksvoll die Bedeutung der funktionalen Mobilität für eine optimale Erholung in der Rehabilitation nach einem Schlaganfall. Diese Erkenntnisse haben wir für die Entwicklung einer weiterführenden Studie berücksichtigt. In dieser neuen Studie werden wir gezielte Interventionsmassnahmen überprüfen, die die Mobilität und Lebensqualität nach einem Schlaganfall verbessern sollen.

Warum ist die Ganganalyse ein wichtiges Instrument, um die Auswirkungen eines Schlaganfalls beurteilen zu können?

In unserer Studie haben wir gesehen, dass die Ganganalyse ein wertvolles Instrument zur Beurteilung der Auswirkungen eines Schlaganfalls ist, da sie objektive und sehr präzise Daten liefert. Dies ermöglicht nicht nur eine genaue Einschätzung des aktuellen Zustandes der Patienten, sondern auch eine exakte Beurteilung im zeitlichen Verlauf. Eine solche Verlaufsbeobachtung dient zur Überwachung des Fortschritts und kann zur Steuerung der Reha-Massnahmen eingesetzt werden. Die detaillierten Ergebnisse können verwendet werden, um individuelle Therapiepläne zu erstellen, die gezielt auf die Bedürfnisse und Defizite der Patienten zugeschnitten sind. Dies kann entscheidend dazu beitragen, die Mobilität und Lebensqualität der Betroffenen nachhaltig zu verbessern.

Präventionsstrategien: Wie trägt regelmässige körperliche Aktivität zur Vorbeugung von Mobilitätsverlust bei?

Basierend auf unzähligen wissenschaftlichen Untersuchungen können wir heute mit Sicherheit sagen, dass regelmässige körperliche Aktivität – neben einer gesunden Ernährung und gutem Schlaf – essenziell zu einem langfristig gesunden Leben beiträgt und das Risiko für eine Vielzahl von Krankheiten zum Teil drastisch senken kann. Detaillierte Empfehlungen würden den Rahmen dieses Interviews sprengen, doch kann ich eine grobe Orientierung geben: Erwachsene sollten, unabhängig vom Alter und dem aktuellen Fitnesszustand, regelmässig (d.h. mehrmals pro Woche) ausreichend lange (im Durchschnitt gut 30 Minuten pro Tag) aktiv sein. Dabei sollten wir die wichtigen Aspekte Ausdauer, Kraft, Gleichgewicht, Beweglichkeit und Koordination trainieren. Die Intensität sollte dabei ausreichend hoch sein und wir sollten dabei durchaus auch ins Schwitzen kommen. Man kann eine Kombination aus gezielten Aktivitäten einsetzen, um die Aspekte einzeln anzusteuern (z.B. Velofahren oder Schwimmen für die Ausdauer, Fitnessstudio für die Kraft, Yoga oder Tai-Chi für Gleichgewicht, Beweglichkeit und Koordination) oder komplexere Bewegungsformen ausüben, die mehrere Aspekte gleichzeitig ansprechen (z.B. gewisse Spielsportarten, Tanzen, Crossfit). Unabhängig davon, was wir tun, ist es sehr wichtig, dass es uns Spass macht und wir uns regelmässig dafür motivieren können – denn nur so werden wir langfristig dabeibleiben, um im Idealfall ein Leben lang ausreichend körperlich aktiv zu sein.

Aktuelle Publikationen am BMC

Rössler, R., Wagner, J., Knaier, R., Rommers, N., Kressig, R. W., Schmidt-Trucksass, A., & Hinrichs, T. (2024). Spatiotemporal gait characteristics across the adult lifespan: Reference values from a healthy population - Analysis of the COmPLETE cohort study. Gait Posture, 109, 101-108. https://doi.org/10.1016/j.gaitpost.2024.01.005

Ryan, M., Rössler, R., Rommers, N., Iendra, L., Peters, E. M., Kressig, R. W., Schmidt-Trucksass, A., Engelter, S. T., Peters, N., & Hinrichs, T. (2024). Lower extremity physical function and quality of life in patients with stroke: A longitudinal cohort study. Qual Life Res. https://doi.org/10.1007/s11136-024-03713-0

Hinrichs, T., Rössler, R., Infanger, D., Weibel, R., Schär, J., Peters, E. M., Portegijs, E., Rantanen, T., Schmidt-Trucksäss, A., Engelter, S. T., & Peters, N. (2023). Self-reported life-space mobility in the first year after ischemic stroke: longitudinal findings from the MOBITEC-Stroke project. J Neurol, 270(8), 3992-4003. https://doi.org/10.1007/s00415-023-11748-5

Rössler, R., Rommers, N., Kim, E.-K., Iendra, L., Sofios, A., Giannouli, E., Portegijs, E., Rantanen, T., Infanger, D., Bridenbaugh, S. A., Engelter, S. T., Schmidt-Trucksäss, A., Weibel, R., Peters, N., & Hinrichs, T. (2023). Timed up-and-go performance is associated with objectively measured life space in patients 3 months after ischemic stroke: a cross-sectional observational study. Journal of Neurology, 270(4), 1999-2009. https://doi.org/10.1007/s00415-022-11524-x

De Spiegeleer, A., Kahya, H., Crombez, L., Descamps, A., Rössler, R., Kressig, R. W., Lapauw, B., Wynendaele, E., Elewaut, D., & De Spiegeleer, B. (2023). Potential role of statins in treatment of acute sarcopenia. Medical Hypotheses, 177, 111111. https://doi.org/10.1016/j.mehy.2023.111111

Giannouli, E., Kim, E. K., Fu, C., Weibel, R., Sofios, A., Infanger, D., Portegijs, E., Rantanen, T., Huang, H., Schmidt-Trucksäss, A., Zeller, A., Rössler, R., & Hinrichs, T. (2022). Psychometric properties of the MOBITEC-GP mobile application for real-life mobility assessment in older adults. Geriatr Nurs, 48, 280-286. https://doi.org/10.1016/j.gerinurse.2022.10.017

Rössler, R., Bridenbaugh, S. A., Engelter, S. T., Weibel, R., Infanger, D., Giannouli, E., Sofios, A., Iendra, L., Portegijs, E., Rantanen, T., Streese, L., Hanssen, H., Roth, R., Schmidt-Trucksass, A., Peters, N., & Hinrichs, T. (2020). Recovery of mobility function and life-space mobility after ischemic stroke: the MOBITEC-Stroke study protocol. BMC Neurol, 20(1), 348. https://doi.org/10.1186/s12883-020-01920-z

Momentan unter Begutachtung

Schär, J., Iendra, L., Rössler, R., Schmidt-Trucksass, A., Engelter, S. T., Hinrichs, T., & Peters, N. ((under review)). Factors associated with gait impairment in mobile patients 3 months after stroke.

Jäger, C., Ryan, M., Rommers, N., Schar, J., Weibel, R., Kressig, R. W., Schmidt-Trucksass, A., Engelter, S. T., Peters, N., Hinrichs, T., & Rössler, R. ((under review)). Association between lower extremity physical function and physical activity after ischemic stroke: longitudinal findings from the MOBITEC-Stroke project.

Hinrichs, T., Rantanen, T., Portegijs, E., Nebiker, L., Rössler, R., von Bonsdorff, M. B., Schwendinger, F., Schmidt-Trucksass, A., & Roth, R. ((under review)). Reliability and validity of the German version of the University of Jyvaskyla Active Aging Scale (UJACAS-G).