Alzheimer: atypische Formen richtig erkennen
Inzwischen ist breit bekannt, dass bei der Alzheimer-Krankheit in den meisten Fällen vor allem Gedächtnisprobleme auftreten. Aktuell ist jedoch eine Reihe atypischer Varianten der Krankheit bekannt, die mehrheitlich bei Menschen unter 65 Jahren festzustellen sind. Dort können schwerpunktmässig anstelle der Gedächtnisprobleme entweder Defizite in der «Sprache», der «planerischen Leistungen» oder der «räumlichen Wahrnehmung/Konstruktion» auftreten. Bei anderen atypischen Formen stehen Veränderungen im Verhalten oder der motorischen Leistungen im Vordergrund.
Bei der neuropsychologischen Diagnostik gilt es daher, alle wichtigen Bereiche der Hirnleistungen und des Verhaltens zu untersuchen, um diese weniger typischen Symptome möglichst früh zu erkennen. Eine sorgfältige Anamnese mit den Betroffenen hilft, Schwierigkeiten jenseits von Gedächtnisveränderungen zu entdecken. Da den Betroffenen nicht selten die Einsicht in Leistungsveränderungen fehlt, sollten auch die Angehörigen einbezogen werden.
Die atypischen Symptome der Alzheimer-Krankheit können auch bei anderen Erkrankungen vorkommen. Daher sind neben der neuropsychologischen Untersuchung auch Ergebnisse aus der medizinisch-körperlichen Untersuchung, der Bildgebung und ggf. weiterer «Biomarker» wie dem Liquor für die Bestimmung der zugrundeliegenden Krankheit wichtig, damit die geeigneten Behandlungsmöglichkeiten gewählt werden können.
Für die nicht-medikamentöse Therapie sowie für die Beratung der Betroffenen und ihrer Angehörigen ist die Bestimmung der im Vordergrund stehenden Beeinträchtigungen von grosser Bedeutung, denn diese führen bei den meist noch jüngeren Patienten zu anderen Schwierigkeiten im persönlichen und beruflichen Alltag, als dies bei Gedächtnisstörungen der Fall wäre.
Somit wird deutlich: Um Erkrankungen, die zu Hirnleistungsstörungen führen, frühzeitig zu entdecken und bestmöglich zu behandeln, braucht es die Charakterisierung der spezifischen Symptomatik und das Erkennen der zugrundeliegenden Krankheit.
Dr. phil. Michael Ehrensperger, Stv. Abteilungsleiter Memory Clinic Basel